30-jähriger Krieg

Folgender Abschnitt ist Kapitel VII aus dem Buch “Geschichte der Berliner Vororte Buch und Karow”
von Martin PFANNSCHMIDT, Pfarrer von Buch-Karow (Berlin 1927)

Im Dreißigjährigen Kriege

      Die deutsche Reformation war eine geistige Bewegung, hervorgegangen aus der Tiefe deutschen Gemütes, eine rechte Volksbewegung. Das bedingte die Gefahr der Zersplitterung und Verflachung. Wo die obrigkeitlichen Stände pflichtgetreu ihr den Schutz gegen römische Verwaltung boten und sie in geordnete Bahnen lenkte, lag doch auch die Gefahr der Veräußerlichung nahe. Dass sie eine Bewegung von innen her blieb, eine tief religiöse, evangelische Bewegung in LUTHERs Geist, dazu musste ihre Selbstbehauptung in Not und Verfolgung mitwirken. Für die Verinnerlichung sorgte immer wieder der Weg von Paul GERHARDTs Neujahrslied: Wir gehen dahin und wandern ....


Durch so viel Angst und Plagen,
Durch Zittern und durch Zagen,
Durch Krieg und große Schrecken,
Die alle Welt bedecken.

      Wie dies in unserer engeren Heimat, dem Barnim, insonderheit in Buch und Karow, in Gemeinschaft mit dem evangelischen Deutschland erlebt wurde, möchten wir schildern.
      Man hat das 16. Jahrhundert das Jahrhundert der Seuchen, das 17. Jahrhundert das des Großen Krieges genannt. Doch letzteres kann man ebenso gut das des Großen Krieges und der Seuchen nennen. Was man an Seuchen im Vorjahrhundert bereits erduldet, vergrößerte die Leiden des Großen Krieges.

      Bei dem Mangel medizinischer Kenntnisse und gesundheitlicher Schutzeinrichtungen war das Land den verheerenden Seuchen: Pest, Cholera und Pocken wiederstandslos preisgegeben. Die furchtbarste Pest beschloss 1598 das Reformationsjahrhundert. Von den früheren Seuchen fehlen uns Nachrichten aus Buch. Doch lassen wir die Chronik unserer Nachbarstadt Bernau (von Aug. Wernicke 1894) reden, so können wir den Anteil unserer Gemeinden an diesen Heimsuchungen wohl erraten. Von der Bevölkerung Bernaus, die damals auf etwa 2500 Seelen geschätzt wird, starben an der Pest im Jahre


1515
1538
1550
1598

1110 Personen
700 Personen
800 Personen
1137 Personen


an manchen Tagen 20-26 Personen. Als Berlin 1611 aufs schwerste unter der Pest litt, blieb Bernau merkwürdigerweise so völlig verschont, dass das Berliner Kammergericht und Konsistorium hier ihre Zuflucht suchen und ihre Büros im Rathaus aufschlagen konnten.
      Von der Seuche 1598 haben wir auch aus Buch nähere Nachrichten. Bartholomäus AUGUSTIN, der 1603 verstorbene Küsterlehrer von Buch-Karow, hat eine Liste der Einwohner (S. 48ff.) hinterlassen, „wie sie vor der Pest geheißen und der Reihe nach gewohnt haben“. Aus dieser Liste errechnen wir, dass vor 1598 Buch 10 Bauern und 15 Kossäten hatte und nach dem Großen Kriege nur noch 5 Bauern und 10 Kossäten. Diesen Rückgang wird hauptsächlich die Pest verschuldet haben. Denn nach einer Notiz der Kirchenbücher sind damals in Buch 152 Personen an der Pest gestorben. Wenn Buch und Karow damals wohl nicht mehr Einwohner gehabt haben werden als 1805 (nach BRATRING, Statistisch-topographische Beschreibung der Mark Brandenburg 1805), nämlich Buch 228 und Karow 150, so wurde – falls die Zahl der Opfer 152 für Buch und Karow gilt, - fast die Hälfte der Einwohnerzahl hingerafft. Auch der Ortspfarrer RICHTER wurde ein Opfer der Pest.
      Noch 1608 wird Karow neben Birkholz von dem Landreuter Peter SCHULZEN in seinem Verzeichnis des Niederbarnimschen Kreises (Geh. St. Arch. Reg. 78. 83 S 238 ff.) als wüste bezeichnet.
      Kaum hatten sich die Gemeinden einigermaßen erholt, so brach 1618 der Große Krieg aus. In den ersten Jahren freilich, da hauptsächlich in Böhmen gekämpft wurde, spürte man die Kriegsnot bei uns kaum. Am 13. n. Trin. 1618 konnte man wohl sorglos in einer Karower Familie eine dreifache Hochzeit feiern. Drei Geschwister, Matthias, Bartholomeus und Walpurgis DAME, heirateten an einem Tage: der erstere die Witwe des Mathias METTEN, Anna, geb. MÃœNCHEHAGEN, der zweite deren Tochter Anna METTEN, die dritte den Sohn der Witwe, Martin METTEN.
      Noch 1622 lebte man in Karow wie im Frieden und konnte die Kirche gründlich erneuern (S. 65).
      Die eigentliche Leidenszeit begann erst 1626, als WALLENSTEIN in die Mark eindrang und seine Truppen, einschließlich Bekleidung und Besoldung, auf Kosten des landes leben ließ. Im gleichen Jahre zog als Führer der evangelischen Stände Graf Ernst von MANSFELD durch Bernau. Da der brandenburgische Kurfürst Georg Wilhelm, der sich meist in Königsberg aufhielt und seinen Bruder Siegismund die Statthalterschaft über die Mark übertragen hatte, sich von dem katholischen Minister Graf Adam von SCHWARZENBERG leiten ließ und unschlüssig war, auf welche Seite er sich stellen sollte, so fühlte sich keine der Parteien als Freund im Lande zu möglichster Schonung verpflichtet. Daher musste das Land durch Einquartierung und Zwangslieferungen doppelt leiden.
      Als 1627 WALLENSTEINs Heer hier überwinterte, hatte das Regiment Torquato Conti zu Straußberg in Niederbarnim sein Hauptquartier. Am 7. November 1627 weilte WALLENSTEIN selbst in Bernau (WERNICKE S. 572). 1628, nachdem er noch am 22. Juni im prächtigen Aufzuge durch die Breitestraße in Berlin der Kurfürstin einen Besuch gemacht, rückte er nach der Ostsee seinem Heere nach. Als er von Stralsund unverrichteter Sache abziehen musste, überwinterte er wieder in der Mark und sog sie aus. Das St. Julianische Regiment hatte in Bernau sein Quartier. Erst im März 1630, als man den Schwedenkönig Gustav ADOLF erwartete, wurde es zurückgezogen. Dieser landete den 24. Juni 1630 (4. Juli nach neuer Zeitrechnung) auf Rügen, erschien am 4. Mai 1631 vor Berlin und nötigte den schwankenden Kurfürsten Georg Wilhelm zum offenen Anschluss an die evangelische Partei. Damit hörten wenisgtens vorläufig die Truppendurchzüge auf.
      Noch heute heißt im Volksmund der obere Teil der Schönower Straße zwischen Buch und Zepernick „Heerweg“, weil hier eine auch damals benutzte Heerstraße zwischen Brandenburg und Pommern, Berlin und Stettin-Stralsund über Prenzlau hindurchführte. Leider hat man in neuester Zeit diesen geschichtlichen bedeutsamen Namen in den wenig sagenden „Buchallee“ umgewandelt. Geschichtliche Erinnerungen in Straßen und Flurnamen sollte man festhalten und nutzbar machen.
      Die Truppendurchzüge hinterließen einen anderen tückischen Feind: die Pest. Mit dem ersten Auftreten der Wallsteiner erschien sie 1626 in Berlin und Bernau zugleich und begann auch in unseren Dörfern, zunächst in Karow, zu wüten.
      Ãœber die Entstehung der ersten Erkrankung des Sohnes Jürgen NEIGEMANN in Karow bemerkt das Kirchenbuch unterm 10. August: „Der Vater war bei seiner Schwester auf dem Judenhof in Berlin gewesen.“ 12 Tage danach stirbt der Vater NEIGEMANN, am 6. September seine Frau und eine Tochter und am  8. September die zweite Tochter. Im ganzen forderte die Pest 1626 in Karow 77 Opfer von einer Bevölkerung wohl nicht über 150 Seelen.
      Welche grauenerregenden Schrecknisse dies Jahr in sich barg, mag eine Eintragung des Karower Sterberegisters vom 14. September d. J. belegen: „Anna MÃœLLER, die die andern alle aus dem Hause (Jürgen NEIGEMANNs) zu Grabe getragen: gestorben und ist von Valtin HABEDANK zuvor in Berlin , zu grabe gebracht, welcher 3 Thaler bekommen: und ist niemand mehr im Hause blieben als Kersten STROMANN, der krank gelegen, dem auch der Totengräber ein warm Bier gegeben und weggegangen: und der arme Mensch nicht wieder gesehen worden: Man 14 Tage hernach Valtin HABEDANK von Berlin 3 Thaler geben, der im Hause umgesucht: saget, er konnte ihn nicht finden. Im Monat Dezember, montags nach dem 1. Advent (also ¼ Jahr später) ist das Haus hier eröffnet gefunden, daraus alles weggetragen, und hat ihn Daniel HERMANN, ein Schmied von Berlin, der zu Karow etliche begraben, ins Bette gefunden, darin er all verweset, und hat ins Laken gefasset und hinter dem Hause begraben, weil er auf dem Kirchhof nicht können gebracht werden.“
      Merkwürdig ist’s, dass im gleichen Jahre Buch nur einen Pestverdacht zu melden weiß; und ferner, dass, als 1630 die Pest von Bernau nach Buch eingeschleppt wurde, in Karow nur ein Pestfall vorkam.
Über den ersten Pestfall in Buch 1630 berichtet das Kirchenbuch: „Hans Uten, nachdem er von einem Bäcker in Bernau Semmel genommen hinter dem Hofe Freitags vor Bartholomi (24. August), wurde folgenden Sonntags krank, klagte über hitziges Fieber . . . Donnerstags ist er umb 8 Uhr gestorben. Da er gekleidet worden, hat man in der linken Seite ein braun Mal gesehen.
      . . . Was weiter darauf folgen mochte, giebt die Zeit. Gott gebe was Guts!“
      Die Ahnung großen Unheils sollte sich erfüllen. Noch 22 Pestfälle meldet das Bucher Sterberegister vom September und Oktober d. J. – 1631 sind’s 77, 1636 – 11, 1637 – 32, 1638 – 29 Opfer, darunter die Frau des Küsterlehrers Bartholomeus KOCH und 4 ihrer Kinder; zusammen in 5 Jahren: 122 Todesfälle. 1631 waren darunter des Pfarrers MASUT Tochter Elisabet, die „in der Kirchen von der Seuche befallen wurde“, und seine Ehefrau Katharina, eine Tochter des Proptes GÖRITZ in Bernau, welche dem Pfarrer 10 Kinder geschenkt hatte.
      In den letzten Jahren begannen auch die Truppendurchzüge wieder. 1635 hatte sich der Kurfürst Georg Wilhelm dem Prager Frieden mit dem Kaiser angeschlossen und sich dadurch die Schweden zu Feinden gemacht. Am 6. November 1636 stand der Schwedengeneral Wrangel in Blumberg, am 10. November nahm er Berlin. Zuvor hatten die Kaiserlichen am 2. September Bernau geplündert. „Mit den geraubten Sachen haben sie zugleich die Pest hinweggenommen“, so berichtet der Bernauer Chronist. Wenn auch Bernau seitdem von der Seuche verschont blieb, unsere Dörfer hatten noch weiter darunter schwer zu leiden.
      Auch die anderen Kriegsnöte mussten sich von Jahr zu Jahr steigern. Infolge der Entvölkerung ging die Ackerbestellung mehr und mehr zurück: Teuerung, ja Hungersnot, folgten.
Michael VIGELIUS, oder WEIGELIUS, Pfarrer von Buch 1632-55, überschreibt im Sterberegister das Jahr 1636 als Jammerjahr, 1637 als Elendjahr, 1638 als Hungerjahr. Das große Sterben dieser drei Jahre mag auch dem Hungertyphus zur Last fallen.
      Die Kirchenkassenrechnungen bestätigen diese Namengebung. Bis 1635 ist die Ernte des Kirchenackers in Einnahme gestellt, und konnten viele Opfer an Kriegsbeschädigte dargereicht werden. Aber 1636 heißt es: „An Geld nichts eingekommen“ . . . „Durch die sächsische Armee alles zunichte gemacht“. 1637: „Die andere Gerste ist von den Soldaten weggenommen und verfüttert worden, weil sie nicht flugs, nachdem sie gedroschen, hat können weggeführt werden.“
      Die böseste Zeit müssen die Jahre 1638 bis 42 gewesen sein; denn von diesen heißt es: „Sein die Kirchenäcker ganz wüste liegen blieben, da in Mangelung der Leute und Anspannung nichts hat können bestellt werden, deswegen von solcher Zeit von Jahren keine Rechnung hat können getan werden.“
      Von dem benachbarten Schwanebeck meldet das Kirchenbuch, dass das Dorf etliche Jahre ganz wüste gelegen und „wegen großer Kriegsgefahr konnte niemand sich allhier im Dorfe aufhalten“. Der Schwanebecker Pfarrer Zimmermann flüchtete zu seinem Sohne nach Hönow und starb daselbst. Erst 1641 konnte der Pfarracker wieder bestellt werden. Von März 1637 bis Februar 1641 ist in Schwanebeck kein Kind geboren.
      Unter diesen Umständen konnte auch der Pfarrer Vigelius seinen Unterhalt in Buch nicht finden; er musste lange Zeit in Berlin wohnen und zu Predigten und Amtshandlungen zu Fuß in die Gemeinde kommen, wo sich kaum 3 bis 4 Personen dann einfanden. Gleichzeitig verfolgte er auch das benachbarte Zepernick, dessen Pfarre mit dem Dorfe von den Feinden eingeäschert war.
      Von 1634 bis Oktober 1641, also innrhalb von 7 Jahren, fand in Buch und Karow keine Eheschließung statt, gab es in Karow keine Geburt, in Buch nur 4 Geburten. Die erste Bucher Trauung nach dieser toten Zeit fand am 17. Oktober 1641 unter eigenen Umständen statt. Pfarrer Vigelius war zu einer Hochzeit auf dem Kossätenhof 5, jetzt dem Landwirt und Kirchenältesten Karl DAMEROW gehörend, von Berlin herausgekommen. Aber das Brautpaar, Adam GOTTSCHALK und die Witwe des Verbesitzers Ambrosius SCHMEDICKE, zur Kirche gehen wollten, musste erst durch das auf der Dorfstraße aufgewachsene, wilde Gesträuch mit der Sense vom Hochzeitshause zur Kirche der Weg gemäht werden.
      Als am 29. Dezember 1645 der kurf. Brand. Konsistorialrat und Propst von Berlin, Samuel HOFMANN, der heiligen Schrift Doktor, die Kirchenkassenrechnungen prüfte, trug er ins Kirchenbuch folgende, inhaltschweren Worte ein: „Nachdem durch das allgemeine Landverderben auch dies Dorf mehrenteils ruiniert, die Leute gestorben , die Häuser abgebrannt, die Kirchenäcker etliche Jahre wüste und ungebaut gelegen, nichts einbrachten, von anno 1643 erst etwelche wieder angebauet worden, hat von anno 1638 – 43 nichts mögen eingebracht und berechnet werden . . .“
      In dem Verzeichnis der Hofstellen von Buch heißt es bei 19 unter 26, von Karow nur 4 Höfen: „Dies Gut ist in den kläglichen Zeiten wüste geworden.“ In der Tabelle S. 49f. sind die verwüsteten Höfe mit „w.“ angemerkt. Darnach standen auf der ganzen östlichen Hälfte des Bucher Dorfes neben dem Rittersitz nur noch das Weinmeisters Haus und zwei Kossätenhöfe. Von 26 Wirtschaften konnten nur sieben kümmerlich durchgehalten werden. (Die Einwohnerschaft der Stadt Berlin, die vor dem Kriege etwa 23000 Seelen zählte, war auf etwa 6000 herabgesunken.)
      Nach der Notiz des. D. HOFMANN begann der allmähliche Wiederaufbau 1643, nachdem nämlich der Große Kurfürst 1640 mit den Schweden Waffenstillstand geschlossen und damit der Mark Ruhe gebracht. Unter weiser, landesväterlicher Fürsorge vollzog sich in Jahrzehnten der Wiederaufbau, dank der Genügsamkeit und Zähigkeit des märkischen Bauern. Frische Kräfte wurden ins Land gezogen, Hugenotten und böhmisch-märkische Brüder, später unter Friedrich Wilhelm I. auch Salzburger, welche alle um ihres Glaubens willen aus ihrer Heimat in Frankreich und in den Habsburger Landen vertrieben waren.
      Im benachbarten Buchholz wurde 1686 bis 87 auf wüst gewordenen Höfen eine geschlossene Gärtnersiedlung der Hugenotten gegründet, nach welcher Buchholz bis zum Weltkriege 1914 den Namen „Französisch“-Buchholz führte. Das Gleiche geschah in Bernau, dessen Bevölkerung von 2500 Seelen vor dem Kriege auf etwa 700 Seelen zurückgegangen war. Noch heute besteht in Bernau wie in Buchholz eine französisch-reformierte Gemeinde. Und im Norden Berlin erinnert uns die Gartenstraße an die Hugenottengärtner, welche uns eine bessere Gartenpflege gebracht haben.
      Gutsherr und Patron war in dieser schweren Zeit von 1617 bis 1654 Hans Dietrich v. RÖBELL (S.44), der, - wenn er auch seinen ständigen Wohnsitz in seinem Stadthause Klosterstraße 72 hatte – viel in Buch geweilt, wie aus seiner sorgfältigen Prüfung der von ihm unterschriebenen Kirchenkassenrechnungen ersichtlich ist. Gleichzeitig war er Kommissarius des Niederbarnimer Kreises – heute würden wir Landrat sagen. Dieses Amt ihres Gutsherrn mag den Buchern und Karowern manchen Schutz geboten haben und für den Wiederaufbau förderlich gewesen sein. Ein Beweis des Heimatsgefühls dieses RÖBELL mag der Bau der Familiengruft unter der alten Kirche sein, in welcher er als erster und letzter RÖBELL 1654 beigesetzt wurde.
      Auch das Gedächtnis des Ortsschulze und Kirchenvorsteher George DANEWITZ auf dem Dreihüfnergute No. 25 „an den Wasserstegen, da man nach der Kgl. Heide wie nach Buchholz und Schöne fährt.“ Seine Tochter Anna heiratete 1653 den Michael MEVES aus Neuenhagen. Von diesem Elternpaar MEVES/DANEWITZ stammt die noch heute ansässige Familie MEVES, welche der Gemeinde manch tüchtigen Schulzen und Ältesten gestellt hat.
      Ungeheuerlich waren besonders in Norddeutschland und in unserer Mark die Opfer, die der gewaltige Kampf des deutschen, evangelischen Luthergeistes wider römisch-welschen Geist forderte, dem leider das mehr welsch als deutsch fühlende Habsburger Kaiserhaus dienstpflichtig geworden war. Um Jahrhunderte ist in vieler Hinsicht die Kultur des Vaterlandes zurückgeworfen worden. Doch für zwei Drittel desselben ist der deutsche, evangelische Geist als wichtigstes Mittel des Wiederaufbaues und neuen Wachstums gerettet worden. Und der Retter war nach göttlicher Fügung Gustav ADOLF. Er ist es – trotz aller politischen Erwägungen und Beweggründe, die für einen Schwedenkönig mitbestimmend sein mussten, oder vielleicht auch durch sie. Denn es handelte sich hier für Schweden und Deutsche auch um eine Lebensfrage der gemeinsamen nordischen Rasse. Leider hatte der brandenburgische Kurfürst Georg Wilhelm diesen Zusammenhang der Dinge nicht erkannt. Hätte er nicht durch seine schwankende Haltung in den ersten Maitagen 1631 den Schwedenkönig vor Berlin so lange aufgehalten, Magdeburg wäre wohl nicht gefallen und zerstört worden und auch die Kriegsnöte der Mark wären nicht so vernichtend gewesen.
      Nach dem ersten großen Erfolg Gustav ADOLFs, besonders bei Breitenfeld, stimmten wohl auch unsere Gemeindeglieder ein in den Vers:


„Gustav Adolf, Christ und Held,
Rettete bei Breitenfeld
Glaubensfreiheit für die Welt.“

      Als er bei Lützen siegend gefallen, gleich sein Leichenzug durch Norddeutschland in die nordische Heimat dem Triumphzug eines Märtyrerhelden der deutschen und evangelischen Sache. Am 17. u. 18. Dezember 1632 wurde seine Leiche, nachdem der Leichenzug vielleicht auch unsere Ortschaften berühert hatte, in der Marienkirche zu Bernau aufgebahrt. Manches Glied unserer Gemeinden mag dort an der Trauerfeier teilgenommen haben. Bei dieser hielt der Propst STRÖMANN die Leichenrede über 1. Mak. 9, 1-21 und wandte auf Gustav ADOLF das Wort des Judas Makkabäus an: „Das sei ferne, dass wir fliehen sollten! Ist unsere Zeit gekommen, so wollen wir ritterlich sterben um unserer Brüder willen und unsere Ehre nicht lassen zu Schanden werden“ – und stimmte in Israels Klage ein: „Ach, dass der Held umgekommen ist, der Israel geschützet und errettet hat!“
      Noch heute hat in unsern Landen der Name Gustav ADOLF einen guten, klaren Klang, und die Stiftung, welche nach ihm sich nennt und unter seinem Pannier eintritt für alle bedrängten evangelischen Glaubensgenossen in der Zerstreuung aller Weltteile, vornehmlich soweit die deutsche Zunge klingt, findet auch in unseren Gemeinden Verständnis und Opferwilligkeit. Eine Steigerung derselben wäre freilich dringend nötig.
      Wie war es möglich, dass auch unsere Mark von diesem Aderlass des Großen Krieges sich wieder erholen konnte?
      Der deutsch-evangelische Luthergeist bewahrte die Schwergeprüften vor Verzagtheit und Verbitterung, führte nicht ab von Gott, weil man seine Weltregierung nicht verstand oder dünkelhaft meistern wollte; sondern man beugte sich in Demut unter seine unbegreiflichen Wege und unerforschlichen Gerichte und hielt in männlichem Glaubenstrotz und in kindlichem Vertrauen fest an dem Evangelium von der freien Gottesgnade in Jesus Christ. Die große Trübsal bewahrte die deutsche Reformation vor der Veräußerlichung und Verflachung und förderte die Verinnerlichung, die nach der Tränensaat köstliche Frucht zeitigte, gewährt aus Gottes Brünnlein, das Wassers die Fülle hat. Dieses Brünnlein quoll hervor in der bittersten Notzeit in den Kreuz- und Trostliedern des Schlesiers Johann HEERMANN.
      Ein besonders reicher, reiner, köstlicher und lieblicher Quell spendete Glaubensmut und Lebenskraft in unserer Berliner Propstei, zu welcher unsere Gemeinden gehörten: Paulus GERHARDT, der Diakonus von Nikolai. 1643-51 Hauslehrer in Berlin, wurde er am 18. November 1651 in der Berliner Nikolaikirche zum Propst in Mittenwalde in der Mark ordiniert. 1657-1668 wirkte er dann wieder zu Berlin als Diakonus von Nikolai. Bis 1667 waren (nach Nelle) 130 Gerhardtsche Glaubenslieder veröffentlicht. Viele von ihnen wurden schnell in Berlin und Umgegend wie Volkslieder gesungen und bald Eigentum und Einheitsband der deutschen evangelischen Christenheit, zumeist vertont von dem Berliner Kantor und Organisten Joh. KRÃœGER und später für einen Johann Sebastian BACH Grundlagen und Höhepunkte seiner gewaltig erhebenden Kantaten und Oratorien.
      Paul GERHARDT Weisen werden schon bald nach ihrem ersten Bekanntwerden auch zu Buch und Karow in die Kirche, Schule und Haus erklungen sein.
      Als noch so vieles wüste lag und man sein Brot mit Tränen aß, wie wird man betend gesungen haben:


„Befiehl du deine Wege und, was dein Herze kränkt,
Der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt!
Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann. –
Denn wie von treuen Müttern in schweren Ungewittern
Die Kindlein hier auf Erden mit Fleiß bewahret werden,
Also auch und nicht minder läßt Gott uns, seine Kinder,
Wenn Not und Trübsal blitzen, in seinem Schoße sitzen.“

      Wie mag man gefleht haben, wenn immer neue Kriegsnot hereinbrach, auch als z. V. vom 5. bis 8. Mai 1675 vor der Fehrbelliner Schlacht die Schweden wieder Bernau besetzten:


„Schleuß zu die Jammerpforten und lass an Orten,
Wo Krieg und Blutvergie0en, die Friedensströme fließen!“

      Und als 1648 die Friedensglocken, auch in Buch und Karow, über den Trümmern des Vaterlandes erklangen, welchen Widerhall mag da Paul GERHADTs Harfe auch hier in den Herzen gefunden haben:


„Gottlob, nun ist erschollen das edle Fried- und Freudenwort,
Daß nunmehr ruhen sollen die Spieße, Schwerter und ihr Mord.
Wohlauf und nimm nun wieder dein Saitenspiel hervor,
O Deutschland, und sing Lieder in hohem, vollem Chor.
Erhebe dein Gemüte zu deinem Gott und sprich:
Herr, Deine Gnad und Güte bleibt dennoch ewiglich.“

      Wenn man dann unter Kummer und Sorgen Tränensaat gesäet und im Frühjahr und Sommer die lachende Flur, das junge Grün, wiedersah, so folgte man dem Diakonus von Nikolai und sang:


„Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit
An deines Gottes Gaben! Schau an der schönen Gärten Zier
Und siehe, wie sie nur und dir sich ausgeschmücket haben!
Die güldene Sonne, voll Freud und Wonne,
Bringt unsern Grenzen mit ihrem Glänzen
Ein herzerquickendes, liebliches Licht.“

      Schaute man zurück auf das, was unwiederbringlich in Trümmern gesunken, so stimmte man nicht wehleidig, sondern hoffnungsfreudig ein:


„Alles vergehet, Gott aber stehet ohn alles Wanken,
Seine Gedanken, sein Wort und Wille hat ewigen Grund.
Sein Heil und Gnaden, die nehmen nicht Schaden,
Heilen im Herzen die tödlichen Schmerzen,
Halten uns zeitlich und ewig gesund.“

      Und im alten Lutherlied fasste man trotzig bekennend alles zusammen:


„Ein feste Burg ist unter Gott,
Mut unsrer Macht ist nichts getan.
Und wenn die Welt voll Teufel wär,
Das Wort sie sollen lassen stahn!“ –

      Dieser deutsch-evangelische Geist half mit Mut und Ausdauer, im Zusammenwirken von Kirche und Schule, Gutsherrschaft und Patronat, unsere Gemeinden, die nicht wie so viele in der Mark vom Erdboden verschwunden waren, in etlichen Jahrzehnten wieder aufzubauen.
      Bei dieser einen neuen Grund legenden geistigen, sittlich-religiösen Aufbauarbeit verdient besondere Erwähnung und Würdigung die junge evangelische Volksschule, die Schöpfung der Reformation. Unter sehr bescheidenen, ja bedürftigen Verhältnissen hat sie ihr schweres Werk der Volksbildung und – erziehung in der Zeit der Armut durchgehalten für bessere Tage.
      Nach dem älteren, uns überlieferten Küsterlehrer von Buch-Karow, Bartholomäus AUGUSTIN († 1605) (S. 48) verwaltete das Küsterlehreramt in Buch während des Dreißigjährigen Krieges Bartholomäus KOCH, ein Garnweber aus Freienwalde a. O., 1605-1640. Im Pestjahr 1638 verlor er sein Weib und vier Kinder. Die Karower Kinder, wenigstens die größeren, besuchten die Bucher Schule. Für die kleineren Kinder in Karow wurde dort nachweisbar zuerst ein Schneider Matthäus BEEDEMANN († 1660) als „Schulmeister“ angenommen. Hier folgten kurz aufeinander bis 1719 sechs Schneider, die das Karower Schulamt neben ihrem Handwerk verwalteten. Der nächste, Johann Christoph SEIDEL, musste bald Karow verlassen, weil er „keine Profession und also keine Subsistenz“ hatte. Zur Zeit des Joachim BEERBAUM wurde 1686 wohl ein recht bescheidenes Schulhäuschen am Kirchhof, vielleicht zum Teil auf dem alten Pfarrhof, erbaut. Doch dieses fesselte den BEERBAUM nicht; denn er ging 1689 nach Buch, um Krüger zu werden.
      Seit wann Buch ein Küster- und Schulhaus hat, war nicht genau festzustellen. Jedenfalls war Buch vor Karow dazu gekommen.
      Noch 1600 hieß es in der Matrikel (S. 62): „Hat kein Küsterhaus, ist verordnet Ihme förderlichst eines zu bauen .“ Zum ersten Male erwähnt wird es dann in einer Bemerkung Ulricis gelegentlich des Pfarrhausbaues: „1672 ist auf Verordnung des Herrn von Pölnitz ein neues Pfarrhaus gebauet und gerade gegen dem Küsterhause gesetzet.“ Also zwischen 1600 und 1672 muss die Bucher Küsterei an der Nordseite der Dorfaue erbaut worden sein.
      Einen weiteren Vorzug für Buch vor Karow bedeutete es, dass Lehrerssöhne, die als Erbgut eine gewissen Lehrbefähigung mitbrachten, das Schulamt verwalteten und zwar 118 Jahre hindurch aus der Familie des 1640 verstorbenen Küsterlehreres Bartholomeus KOCH. Von diesen wird auch nicht erwähnt, dass sie ein Handwerk betrieben hätten. Wohl reichte das rein kirchliche Einkommen der Buch-Karower Küsterei für eine genügende „Subsistenz“ aus.
      Dass von 1616-1758, also über 150 Jahre hindurch die Familie Koch in grader Linie 5 Buch-Karower Küsterlehrer stellte, beweist, dass die Söhne das von den Vätern ererbte Vertrauen durch Tüchtigkeit und Treue zu behaupten verstanden. Mit welchem Ernst sie ihren Beruf auch in der Kirche zu erfüllen suchten, bezeugen die Begleitumstände beim Heimgange des dritten Bartholomeus KOCH († 1742).
      Eine Orgel gab es damals weder in der Bucher, 1736 geweihten Kirche noch in der Karower alten Feldsteinkirche mit dem Holzturm. Daher waren die Lehrer auch als Kantonen und Vorsänger sehr wichtig, ja wesentlich für den Gottesdienst. Dadurch, dass der Lehrer in der Schule die herrlichen, neuen Liedweisen einüben und in der Kirche den Gemeindegesang mit den Kindern führen konnte, - nur dadurch war es möglich, so viele neue Choräle eines Johann HEERMANN und Paulus GERHARDT zu dem alten Bestande des Reformationsliedes einzubürgern.
      So wird uns lebendig der Bericht des Pfarrers ULRICI über den Heimgang des 67jährigen Bartholomeus KOCH: „Er war sonst in seinem Dienst sehr sorgfältig und akkurat, sogar dass es auch scheinet, als hätte seine Akkuratesse ihm den Tod beschleunigt. Denn da er einmal nur einige Silben aus dem liede: „Mache dich, mein Geist , bereit, wache, fleh und bete“ in der Kirchen unrecht gesungen, doch so, dass er sogleich wieder den rechten Ton gefasset und das Lied gut ausgesungen, - so zog er sich solches so zu Sinne, dass er sogleich krank wurde und 14 Tage darauf an einem Schlagfluß starb den 10. August 1742.“
      Manchen befremdet es wohl, dass damals die Lehrer oft zugleich Schneider oder Leinenweber waren. Doch wir dürfen nicht fälschlich die Vergangenheit, die noch keine Seminare kannte, mit dem Maßstab der Gegenwart messen und denen Unrecht tun, welche trotz der Armut der Zeit mit den vorhandenen Kräften, die meist die Pfarrer, so gut es ging, heranbildeten und mit den Mitteln, die die Kirche verfügbar machen konnte, mutig den Grund legten zu unserer so entwicklungsfähigen Volksschule. Man darf es dem Kinde nicht zu Vorwurf machen, dass es noch kein Mann ist.
      Ebensowenig wie den Geistlichen konnten die Gemeinden den Lehrern zur Zeit der Naturalwirtschaft ein auskömmliches Bargehalt aufbringen. So mussten beide auch durch allerlei Nebenarbeit, besonders in der Bewirtschaftung des Dienstlandes, sich das zum Leben Notwendige beschaffen. Welche Bedeutung dieses gerade nach dem Großen Kriege für die Erweckung neuen Lebensmutes besonders des Landvolkes hatte, betont Gustav FREYTAG in seinen Bildern aus der deutschen Vergangenheit, wenn er schildert, wie die Pfarrer – und die Lehrer standen darin nicht zurück – ihren Gemeindegliedern hinter dem Pfluge vorangingen und die wüsten Äcker wieder urbar machten und so Georg NEUMARKs († 1681) Lied vorlobten:


„Sing, bet und geh auf Gottes Wegen,
Berricht das deine nur getreu,
Und trau des Himmerls reichen Segen,
So wird er bei dir werden neu;
Denn welcher seine Zuversicht
Auf Gott setzt, den verlässt er nicht.“

      Diesem Geiste des Gottesvertrauen, der Geduld und Tatkraft verdanken wir es auch, dass es zwei Menschenalter nach dem Großen Kriege möglich war, in Buch an Stelle der baufälligen Fachwerkkirche 1731-36 in unserer „schönen Kirche“ ein bedeutsamens Denkmal deutsch-evangelischen Geistes für die Mark von der Meisterhand des Berliner Baudirektors Dietrichs zu errichten.

 

Quelle: Q11


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